Das 3R80 von OttoBock im Alltags-Test

Die Suche nach der richtigen Prothese für dich und deinen Lebensstil kann ein entmutigender Prozess sein.
Die Suche nach der richtigen Prothese für dich und deinen Lebensstil kann ein entmutigender Prozess sein.

Ein Arbeitstier Unter Den Knien

Beim Durchsehen meiner Statistiken dieser Seite ist mir aufgefallen, dass ein Artikel, den ich bereits vor einiger Zeit über das 3R80 von Otto Bock geschrieben habe, immer noch auf großes Interesse stößt. Also dachte ich mir, ich veröffentliche diesen Artikel erneut, mache ihn leichter auffindbar und gebe ihm so noch einmal die Aufmerksamkeit, die er verdient. 

 

Informierte Entscheidungen Treffen Bei Der Wahl Eines Neuen Knies

Zurück zum Sommer 2019: Nach fast sechs Jahren war es an der Zeit, mich von meinem alten Prothesenknie zu verabschieden und über ein neues nachzudenken. Seit 2013 hatte ich das Genium von OttoBock in Kombination mit dem Triton-Fuß verwendet. Und alles in allem ist dies ein großartiges Knie, das es mir ermöglichte, aktiv zu sein und ein erfülltes Leben zu führen. Ja, ich hatte auch einige Probleme mit diesem Knie, wie einige von euch wissen. Aber die meisten der Frustrationen in den letzten Jahren betrafen den Schaft und nicht das Knie selbst. Es gab nur eine Sache, die mich wirklich gestört hat: Dass ich das Bein nicht im Wasser benutzen konnte. Das setzte mir viele - in meinen Augen unnötige - Grenzen. 

 

Wie ihr alle wißt, liebe ich es, in der Natur zu sein. In den zu Bergen wandern, an der ein oder anderen wilden Küste entlang uz paddeln oder Zeit in einem der vielen attraktiven Klettergebiete meiner Region zu verbringen - für mich sind diese Momente kostbar und ich kann nicht genug davon bekommen. Leider hat die Tatsache, dass das Genium nicht wasserdicht ist, einige - unnötige - Einschränkungen für mich und meine Möglichkeiten mit sich gebracht. 

 

Da sich die Lebensdauer meiner alten Prothese langsam dem Ende zuneigt, bot sich mir die seltene Gelegenheit, ein neues - vielleicht wasserdichtes - Bein zu bekommen. Eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen sollte. Eine Gelegenheit, über meine Bedürfnisse als aktiver Nutzer nachzudenken, mich von einem vertrauenswürdigen Orthopädietechniker beraten zu lassen - und hier war meine Zusammenarbeit mit PACE von entscheidender Bedeutung -, mich mit anderen Amputierten auszutauschen und möglicherweise verschiedene Modelle auszuprobieren, um zu sehen, was für mich am besten funktioniert. 

 

 

Was Ich Suche

Beim Eingrenzen meiner Möglichkeiten ließ ich mich von den folgenden Kriterien leiten:

  • Ich suche ein zuverlässiges Knie, mit dem ich aktiv und in der Natur unterwegs sein kann.
  • Ich brauche etwas, das auch dann funktioniert, wenn ich ein paar Tage lang keinen Zugang zu Strom habe. 
  • Ich möchte etwas haben, das nicht sehr anspruchsvoll in Bezug auf Pflege und Wartung ist.
  • Ideal wäre etwas, das wasserdicht ist, da ich aus der Vergangenheit weiß, dass ich auf Reisen kein zweites Bein mit mir herumtrage. Etwas, das sicherstellt, dass ich nicht plötzlich feststecke, wenn ich bei einer Wanderung einen Fluss überquere, wenn ich im Monsun unterwegs bin oder ohne Vorwarnung ins Schwimmbad gehe.

Im Grunde genommen: Ich möchte eine einfach zu bedienende Prothese, ein Arbeitstier, mit dem ich in der Natur aktiv sein kann, egal unter welchen Bedingungen. 

 

 

Wie Ich Meine Testprothese Verwendet Habe

  • Je länger du ein Bein testen kannst, desto besser. Je mehr du mit verschiedenen Bedingungen spielen und das Bein für eine Vielzahl von Aktivitäten testen kannst, desto besser kannst du beurteilen, ob eine bestimmte Prothese (samt Fuß) die richtige für dich ist.
  • Allerdings muss ich hier gleich zugeben, dass ich die Gelegenheit, die ich hatte, nicht optimal genutzt habe. Durch die hohe Arbeitsbelastung während meiner Probezeit war die Zeit, das Bein auf Herz und Nieren zu prüfen, begrenzt.
  • Außerdem gab es noch andere Faktoren, die den Test beeinflusst haben. Einige davon waren zu erwarten, andere kamen überraschend.
  • Das Wetter war an den meisten Tagen der Testphase ziemlich bescheiden und so hatte ich viel mehr Matsch und rutschige Wanderwege als gewollt. Und viel weniger trockene und damit sicherere Bedingungen als erhofft. 
  • Ich hate schon seit einiger Zeit mit einem schlecht sitzenden Schaft zu kämpfen. Ein schlecht-sitzender Schaft bringt immer ein Verlust an Kontrolle über die Prothese mit sich. Der Umstieg auf eine neue Prothese wird dadurch enorm erschwert.
  • Seit meiner Amputation Ende 2005 benutze ich Mikroprozessorknie. Zuerst das C-Leg und dann das Genium. Dies war das erste technische Knie, dass ich seit Herbst 2005 benutzte.
  • Die Kombination aus der Umstellung von einem Mikroprozessorknie auf ein mechanisches Knie, gepaart mit einem Schaft, der oft nicht richtig sitzt und mich daran hindert, den Fuß präzise zu platzieren, dies auf einem rutschigen und nassen Boden war also mit einigen Herausforderungen verbunden, die sich auch auf die Testzeit auswirkten.

Aber genug gejammert. Ihr wollt wissen, was ich von dem Knie denke. Nicht, was im Umfeld alles zu bedenken war.

 

 

Was Mir An Dem Knie Wirklich Gefallen Hat

  • Von dem Moment an, als ich das 3R80 von Otto Bock benutzte, hatte ich einen guten Eindruck von dem Prothesenknie. Es sieht gut verarbeitet aus und mein erster Eindruck war, dass es genau das ist, wonach ich gesucht habe: Ein solides Arbeitspferd. Und es ist wasserdicht, sowohl für Süß- als auch für Salzwasser freigegeben.
  • Wenn das Bein richtig ausgerichtet ist und die Einstellungen korrekt sind, ermöglicht es ein sanftes Gehen mit einem fast natürlichen Gangbild. Das 3R80 machte unterschiedliche Gehgeschwindigkeiten und Schrittlängen mühelos mit und ich empfand den Übergang von zügigem Gehen zu gemütlichem schlendern, von recht kurzen Schritten in einer vollen Fußgänger*innen-Zone zu langen Schritten auf einer Wanderung flüssig.
  • Der Beugewinkel und die damit verbundene Bewegungsfreiheit des Knies ist großartig, was das Ein- und Aussteigen in ein Auto, die Arbeit im Haus oder das Spielen mit den Kindern erleichtert.
  • Es ist einfach, die Einstellung des Beins selbst zu justieren. Das ist super praktisch und Anwender*innenfreundlich, wenn mensch sich mit der Prothese bereits etwas sicherer fühlt und die Dämpfung der Standphase oder die Steuerung der Schwungphase ändern möchte. Der Beuge- und Streckwiderstand kann einfach und unabhängig voneinander eingestellt werden.
  • Zu guter Letzt verfügt das Knie über eine sehr einfache, aber effektive manuelle Sperre. Sie ist auch mit nassen und kalten Fingern leicht zu bedienen und ermöglicht es dir, eine Flussüberquerung auf glitschigen Steinen zu bewältigen oder ein Kajak sicher vom Auto ins Wasser und wieder zurück zu tragen.

Alles in allem also sehr viele Pluspunkte, die mir wichtig waren.

 

 

Was Ich Herausfordernd Fand

  • Obwohl mein Gesamteindruck des Beins ein sehr positiver war, gab es einige Punkte, die mir nicht gefielen. Und bitte beachte, dass einige von ihnen nicht auf das Knie selbst zurückzuführen sind, sondern eine Folge meines derzeitigen Setups und der täglichen Realität als Amputierter sind. Aber da viele von euch mit ähnlichen Problemen konfrontiert sein könnten, dachte ich, dass ich alle meine Beobachtungen in diese Bewertung einfließen lasse.
  • Es ist wichtig anzumerken, dass es einige Zeit dauert, sich an das 3R80 zu gewöhnen. Vor allem, wenn man - wie in meinem Fall - zuvor seit fast 15 Jahren - und in meinem Fall seit der amputation ausschließlich - ein Mikroprozessorknie benutzt hat. Da dieses mechanische Knie ein großartiges Knie ist und ein sanftes Gehen mit einer natürlichen Gangart ermöglicht, vergisst mensch leicht, dass mensch kein Mikroprozessorknie benutzt. Da es sich aber bergab, treppab oder in schwierigem Gelände anders verhält, muss mensch sich aktiv auf jede Situation einstellen und darf sich nicht auf das verlassen, woran mensch seit Jahren gewöhnt ist.
  • Ich muss zugeben, dass die Probezeit für mich zu kurz war, um zu lernen, das Knie in einer Vielzahl von wechselnden Umgebungen, mit verschiedenen Schuhen, beim Tragen schwerer Lasten auf dem Rücken usw. sicher zu benutzen. Ich spürte das Potenzial des Knies, eine Vielzahl von - gegebenenfalls auch sehr schwierigen - Situationen gut zu meistern. Aber um das 3R80 abseits der ausgetretenen Pfade, mit schweren Stiefeln und einem großen Rucksack, wenn ich müde und vielleicht nicht voll konzentriert bin, sicher zu benutzen, braucht es Zeit und viel Übung. Hier bin ich ziemlich verwöhnt. Mit dem C-Leg und den Genium war es kein Problem, Schuhe zu wechseln, in unterschiedlichem Gelände zu laufen und mit verschiedenen Lasten umzugehen. Das Knie passte sich automatisch an. Es war sogar ziemlich nachsichtig, wenn mensch den Fuß mal recht schlampig und damit für ein flüssiges Gehen falsch aufsetzte.
  • Wie viele von euch wissen, kämpfe ich mit Stumpfschwankungen - und als Folge davon habe ich seit Jahren keinen gut sitzenden Schaft mehr. Ein lockerer Schaft führt oft zu einer ungenauen Kontrolle über das Bein und zu einer schlechten Fußstellung und ungenauem Platzieren des Fußes beim Gehen. Außerdem behindert ein schlecht sitzender Schaft das Verinnerlichen von Bewegungsmustern und den Aufbau eines Muskelgedächtnisses, da sich jeder Schritt ein wenig anders und immer wieder neu anfühlt. In Kombination mit der Herausforderung, sich an ein mechanisches Knie zu gewöhnen, hatte ich einige Situationen, in denen ich gestürzt bin, sowohl draußen in den Bergen als auch zu Hause auf unserer Treppe.
  • An einem der Test-Tage hatte ich den Eindruck, dass der Widerstand des Knies plötzlich abnahm, wenn ich längere Zeit bergab ging bzw. wenn das Knie heiß wurde. Ich hatte nicht die Zeit, diesem Eindruck gezielt nachzugehen und einen systematischen Test durchzuführen. Aber allein die Befürchtung, dass dies der Fall sein könnte, wirkte sich auf mein Selbstvertrauen aus, da ich ständig mit einer Fehlfunktion des Knies rechnete. Ein einziger Vorfall, bei dem das Bein versagt, und ich ging für einige Zeit mit weniger Leichtigkeit.
  • Zu guter Letzt (und da der Schwerpunkt dieses Berichts auf dem Knie liegt, mag dies etwas deplatziert erscheinen): Die Fußschale für den Triton hatte keine Löcher. In Anbetracht der Tatsache, dass das 3R80 im Wasser verwendet werden kann, gibt es hier eine Menge Potenzial für eine ziemliche Schweinerei, nachdem mensch es im Wasser verwendet hat. Benutzt du den Rotationsadapter, hebst den Fuß etwas an, um in den Schuh zu kommen und ... schon bist du nass. OttoBock hat sich dieses Problems kürzlich angenommen und ich habe gehört, dass die neuen Fußschalen Abflusslöcher haben.  

 

 

Zusammenfassung

Was halte ich also vom 3R80 von OttoBock? Wenn du auf der Suche nach einem robusten Arbeitstier bist, das unter den verschiedensten Bedingungen und abseits der ausgetretenen Pfade gute Dienste leistet, ist dieses Knie einen Blick wert. Die Tatsache, dass es wasserdicht ist, ist ein weiteres Plus, das mir sehr gefallen hat. Das macht das Leben eines aktiven Amputierten so viel einfacher. Das gilt auch für die Tatsache, dass es sich um ein mechanisches Knie handelt. Es muss nicht aufgeladen werden. Wieder etwas, das ich sehr schätze. 

 

Wenn du bereit bist, dich anzustrengen, und es dir nichts ausmacht, ein paar Stürze zu riskieren, während du an den idealen Einstellungen für all deine Abenteuer arbeitest, könnte dies das richtige Knie für dich sein. Angesichts des vergleichsweise niedrigen Preises (im Vergleich zum wasserdichten Genium X3 und anderen) ist das 3R80 eine großartige Option.

 

Dennoch glaube ich nicht, dass ich mich für das 3R80 als mein nächstes Prothesenknie entscheiden werde. Zwar gefällt mir die Idee eines mechanischen Beins, mit dem ich so lange netzunabhängig sein kann, wie ich will. Aber ich denke, es braucht einen wirklich guten Schaft dazu. Bei Volumenschwankungen und einem schlecht sitzenden Schaft kann das Knie ziemlich unnachgiebig sein.

 

Dein Meinung: Hast du das 3R80 benutzt? Wenn ja, lass es mich wissen, denn ich würde gerne deine Meinung zu diesem Knie hören.

 

 

Meine Strategische Partnerschaft Mit Pace Rehabilitation

Aus Patienten werden Menschen

 

In den letzten Jahren habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten mit Pace Rehabilitation zusammengearbeitet. Das erfahrene Team von Pace unterstützte mich, als ich Hilfe mit meiner Prothese benötigte. Wir haben zusammengearbeitet, um Amputierte zu ermutigen, im Freien aktiv zu sein, indem wir 2017 eine Kletter-Schnupperstunde im Peak District angeboten haben. Ich habe an der Pace-Konferenz 2018 teilgenommen, um einige meiner Erfahrungen als Amputierter zu teilen und zu erläutern, warum ich denke, dass Aktivität ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Genesungsprozesses ist. Und das Pace-Team und ich sprechen regelmäßig über neue und spannende Entwicklungen im Prothesen- und Rehabilitationsbereich.

 

Pace bietet einen koordinierten multidisziplinären Dienst für Menschen, die Gliedmaßen verloren haben. Das Team ist unübertroffen, wenn es darum geht, Amputierte dabei zu unterstützen, ihr Leben nach lebensverändernden Ereignissen wieder aufzunehmen. Pace bietet Beurteilungen durch ein erfahrenes Team und ist ein großartiger und vertrauenswürdiger Partner bei der Wahl deines nächsten Knies (oder Fußes oder einer anderen Prothese) - ganz gleich, ob du ein Gerät von der Stange oder eine maßgeschneiderte Lösung suchst. Das Pace-Team verfügt über einen großen Erfahrungsschatz und setzt sich dafür ein, Amputierte in ihrem Streben nach einem aktiven und erfüllten Leben zu unterstützen.   


Wenn du Mehr über Pace erfahren wills, dann schau einfach auf der Pace-Homepage vorbei.



Post von Bjoern Eser, dm Gründer von und Macher hinter The Active Amputee.

 

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